Superpower Resilienz
Superpower Resilienz
Was ist das? Was bringt es mir? Und wie kann ich mehr davon kriegen?
Stell dir vor, du bist gerade bei der Arbeit, um dich herum herrscht das totale Chaos, aber wie der Fels in der Brandung lässt du dich davon nicht beeindrucken und bleibst ganz fokussiert bei der Sache. – Oder du verfolgst vielleicht schon seit einiger Zeit den Weg in die Selbständigkeit, musstest aber von deiner ursprünglichen Idee abweichen und passt dich, wie der Bambus im Wind, immer wieder an sich verändernde Gegebenheiten an; doch bei all dem bist du fest verwurzelt in deiner Kernüberzeugung. – Oder um dich herum nur Krise und Negatives, aber all das perlt an dir ab wie der berühmte Tropfen Wasser an einer Lotusblüte.
Diese Metaphern – der Fels in der Brandung, der Bambus im Wind, die Lotusblüte – versinnbildlichen ganz unterschiedliche Strategien, mit den Widrigkeiten des Lebens umzugehen, und sie stehen für die große Bandbreite resilienten Verhaltens.
Wie das live und in Farbe aussieht, wenn das Leben einen wirklich resilienten Menschen so richtig herausfordert, durfte ich vor einigen Jahren an einer geschätzten Kollegin und Freundin beobachten: Völlig unerwartet verstarb plötzlich ihr Mann, der gleichzeitig auch Geschäftspartner im gemeinsamen kleinen Unternehmen war. Und so stand sie wie aus heiterem Himmel sowohl vor einem privaten wie auch vor einem beruflichen und existenziellen Scherbenhaufen. Doch innerhalb weniger Monate hatte sie die Firma aufgelöst, Geschäfts- und Privathaus verkauft, die Finanzen geregelt, die bei ihr angestellten Mitarbeiter in anderen Unternehmen untergebracht, eine Wohnung gefunden und sich selbst beruflich neu orientiert und anstellen lassen. Nach einiger Zeit kam sogar das private Glück wieder dazu.
Dazu fällt mir nur ein Wort ein: WOW!!!
Was ist also Resilienz?
Resilienz lässt sich beschreiben als die Fähigkeit eines Menschen oder eines Systems, aus Phasen hoher Belastung oder Krisen einigermaßen unbeschadet oder im besten Fall sogar gestärkt hervorzugehen. Ziel ist dabei immer die Wiederherstellung eines ausgeglichenen inneren Zustandes: nach stressigen Zeiten finde ich wieder zurück zu Ruhe und Gelassenheit; nach einer schwierigen Trennung werde ich wieder glücklich; trotz gesundheitlicher Einschränkungen entdecke ich ganz neue Wege und Möglichkeiten, das Leben zu genießen.
Dabei wird Resilienz nicht als eine Art fixer Zustand eingefroren, den man einmal erreicht hat und dann für immer behält. Vielmehr beinhaltet Resilienz einen lebenslangen Prozess der Adaption und Regulation. Vergleichbar mit unserem Immunsystem, das seine Kräfte mobilisiert, um z.B. eine Virusinfektion zu bekämpfen: nach ausgestandener Infektion ist unser Immunsystem nicht mehr dasselbe, das es vorher war, sondern es geht gestärkt aus dieser „Gesundheitskrise“ hervor und kann nun die einmal bekämpften Eindringlinge viel schneller erkennen und unseren Körper vor diesen und ähnlichen Viren schützen.
Ganz ähnlich verhält es sich mit unserer Resilienz: mit jeder durchlebten Krise oder Belastungssituation entwickelt sich unsere Fähigkeit, mit Störungen und Widrigkeiten umzugehen. Wir erreichen ein höheres Kompetenzniveau und sind somit besser für die nächste schwierige Situation gewappnet. So waren wir z.B. während der Corona-Krise kollektiv mit der Herausforderung konfrontiert, wie wir trotz bestehender Einschränkungen und persönlicher Härten gut durch diese Zeit kommen können. Dabei haben die Menschen ganz unterschiedliche Strategien entwickelt und Ressourcen für sich (wieder)entdeckt, wie z.B. die eigene Kreativität, die Beschäftigung mit den eigenen Werten, Wünschen und Zielen, oder vielleicht einfach die Fähigkeit, gut mit sich alleine sein zu können. Was immer es auch für dich war – diese Erkenntnisse, Strategien und Ressourcen bleiben dir über die eigentliche Situation hinaus quasi als dein „Krisengewinn“ erhalten, der dir ab sofort als Teil deines Kompetenzschatzes zur Verfügung steht.
Was bringt es mir? Und wie kann ich mehr davon kriegen?
Kennst du das, wenn dir ein altes Arbeitszeugnis in die Hände fällt und du denkst „Ja stimmt – das habe ich auch schon alles gemacht!“. Oder du browst durch Fotos aus einer Zeit, in der du dein eigenes kleines Abenteuer wahrgemacht hast, und erinnerst dich verblüfft daran, wie mutig, klar und stark du damals warst. Irgendwie so ganz anders, als du dich vielleicht jetzt gerade oder schon seit Längerem fühlst – als hätte das alles eine andere Person erlebt.
Leider leiden wir häufig an so einer Art Kompetenzamnesie, was soviel heißen soll wie, dass unser Zugang zu diesen inneren Ressourcen, die wir ja offensichtlich in uns tragen, gerne mal verschüttet wird. Und zwar umso mehr, je weiter wir uns von uns selbst und unserer Mitte entfernen, und je stärker wir unter Druck geraten.
Ein anderes weit verbreitetes Phänomen besteht darin, dass dieser Ressourcenzugang oft kontextabhängig ist. Ich kann z.B. durchaus in der Lage sein, in meinem Job knallhart in Verhandlungen zum Wohl meines Unternehmens zu agieren. Wenn es aber darum geht, mich persönlich abzugrenzen oder gegenüber meinem Chef oder Kollegen „Nein“ zu sagen, knicke ich regelmäßig ein und lade mir mehr auf, als ich tragen kann.
Bei der Beschäftigung mit deiner Resilienz geht es daher immer auch um das bewusst und verfügbar machen dessen, was du eh schon in dir trägst. Eine ebenso wichtige Rolle spielt die Frage, was du eigentlich brauchst, um gut gedeihen und wachsen zu können: welches Umfeld, welche Rahmenbedingungen machen dich stark? Und daraus können sich wiederum wichtige Hinweise ergeben, an welchen Stellen es noch mehr an resilienten Kompetenzen, Strategien oder Verhaltensmustern bedarf.
All dies geschieht idealerweise in dem Bewusstsein, dass wir bio-psycho-soziale-spirituelle Lebewesen sind, und diese Ebenen eng miteinander verwoben sind und in einer komplexen Wechselwirkung stehen:
Ich kann mich supergesund ernähren, mich viel bewegen, ausreichend schlafen, mich also vorbildlich um meine körperliche Resilienz bemühen – aber wenn ich es nie gelernt habe, Sicherheit und Zuversicht aus mir selbst zu schöpfen, kann mich unter Umständen schon ein mehrdeutiges Emoji in einer WhatsApp-Nachricht völlig aus der Bahn werfen. Und vielleicht braucht es dann erst einmal die Tüte Chips und die Flasche Rotwein, um mit dieser vermeintlichen Ablehnung oder Kränkung klar zu kommen.
Wenn mein Nervensystem z.B. aufgrund ungünstiger Bedingungen in den ersten Lebensjahren darauf getrimmt wurde, ständig in Alarmbereitschaft zu sein, wird es mir entsprechend schwerer fallen, mit Gelassenheit und Zuversicht in eine unbekannte Situation zu gehen.
Du erinnerst dich an meine Freundin vom Anfang? Sie hatte schon immer diese Ausstrahlung eines Menschen, der in seiner Mitte angekommen und ganz bei sich ist. Als ich sie einmal vor vielen Jahren darauf angesprochen habe, antwortete sie mir, dass sie keine alten Päckchen mit sich herum trägt, die sie im Leben behindern. Diese „Päckchen“, die sie meinte und die leider viele von uns im Gepäck haben, können in ganz unterschiedlicher Gestalt daher kommen: als hinderliche Glaubenssätze über uns selbst; als von anderen übernommene Ziele und Werte, die nicht zu uns passen; als Beziehungs- oder Verhaltensmuster, die uns schaden usw.
Die Beschäftigung mit Resilienz macht also den Blick weit auf und lädt uns dazu ein, uns in unserer Gesamtheit zu betrachten.
Und vielleicht ahnst du es schon, aber ich spreche es trotzdem aus: Resilient wird man nicht nach einem Vortrag oder Workshop zum Thema. Der Weg zur Resilienz ist eine lebenslange Reise, auf der wir ständig lernen und uns weiter entwickeln – wenn wir dies bewusst und zielgerichtet tun. Und für die Bewusstheit und Zielgerichtetheit ist es auf jeden Fall sinnvoll, sich regelmäßig Auszeiten zu nehmen und sich vielleicht auch ab und an Unterstützung zu holen – sei es in der Form einer guten Morgenroutine, regelmässiger Meditation, bei einem Retreat, Training, Coaching usw. Und dann heißt es: dran bleiben.
Resilienz hilft dir dann dabei…
mit Irritationen besser umzugehen,
Unsicherheit und Mehrdeutigkeit auszuhalten,
flexibel Strategien zu suchen, zu finden und auszuprobieren,
Lösungen und Ziele im Auge zu behalten,
optimistisch dem Unbekannten ins Auge zu sehen,
bei dir zu bleiben.
„Ich komme aus meiner Mitte – aber ich merke es schneller – ich komme schneller in die Mitte zurück – und meine Amplituden sind geringer.“