Nachhaltige Veränderungen in Babysteps

Kennst du das: Du willst unbedingt etwas in deinem Leben verändern – dich besser ernähren oder irgendetwas anderes für deine körperliche, mentale oder seelische Gesundheit tun, endlich Ordnung auf deinem Schreibtisch halten, eine tolle Idee in die Welt bringen. Oder vielleicht warst du schon einmal bei einer inspirierenden Veranstaltung, von der du hoch energetisiert und vollgesaugt mit neuen wichtigen Erkenntnissen über dich zurück gekehrt bist und von der du viele schöne Impulse und gute Vorsätze mitgenommen hast – aber leider verpufft all das auch ganz schnell wieder, weil dir der Transfer in den Alltag schwer fällt.

Wir alle sind fasziniert von Storys über Menschen, die so etwas wie einen Erweckungsmoment hatten, daraufhin ihr komplettes Leben auf den Kopf gestellt haben und fortan ihr happily ever after leben. Diese Art von Veränderung mag es geben, doch für die meisten von uns passiert Veränderung deutlich unspektakulärer.

Und hier kommen deine Gewohnheiten ins Spiel:

Nehmen wir mal an, dein Ziel ist es in einem Jahr einen Marathon zu laufen. Dann wird es natürlich Zeit brauchen, dieses Ziel zu erreichen; aber wenn du es dir zur Gewohnheit machst, jeden Tag auch nur eine halbe Stunde früher aufzustehen, deine Laufschuhe zu schnüren, vor die Tür zu gehen und einfach für 15 Minuten loszulaufen – dann wirst du innerhalb weniger Tage eine MASSIVE VERÄNDERUNG in dir spüren! Du nimmst dich nämlich selbst anders wahr. Du siehst dich selbst als Läufer – weil du, na ja, läufst! Hast du damit schon dein Ziel erreicht? Nein – aber die Macht der Gewohnheit liegt darin, dass du deine Identität veränderst.

Das Wort Identität leitet sich ab vom lateinischen Adverb identidem und bedeutet soviel wie ‚etwas wiederholend, immer wieder tuend‘. Gewohnheiten sind eben nicht einfach nur Tätigkeiten, die wir regelmäßig tun. Vielmehr bestimmen unsere Gewohnheiten mit der Zeit, wer wir sind. Gewohnheiten bringen zudem Ordnung in den Tag, in das Denken. Sie stabilisieren uns. Wir tun sie so automatisch, dass in unserem Innern keine großen Gefühle, kein Widerstand, kein Drama stattfinden. Und das gefällt unserem Gehirn, weil es dafür keine Energie aufwenden muss, wie z.B. für das tägliche Zähneputzen.

Genau das macht es uns aber wiederum so schwer, uns neue Gewohnheiten anzueignen oder uns von alten zu verabschieden. Es kostet uns erst einmal mehr Energie, und das kann sich unangenehm anfühlen. Du kannst dich daran sehr wahrscheinlich nicht mehr erinnern, aber auch das Zähneputzen war nicht immer eine Gewohnheit, die du völlig automatisch ausführst. Welche Widerstände und wieviel Energie es erfordern kann, diese Handlung als Routine zu etablieren, weißt du, wenn du selbst Kinder hast und vielleicht sogar allmorgendlich und abends wahre Kämpfe ums Zähneputzen ausfechten musstest. Wenn nicht, dann lass dir gesagt sein: Das Etablieren von Zähneputzen als feste Routine kann dauern und viele Nerven sowohl beim Kind als auch bei den Eltern kosten!

Für negative Gewohnheiten, die uns heute nicht mehr dienlich sind, gilt: Auch sie waren einmal Lösungen für Probleme und schwierige Situationen, die in der Vergangenheit funktioniert haben. Und deshalb hält unser Gehirn daran fest. Es ist das Feierabendbier oder das Glas Wein, das uns beim Runterkommen hilft; die Zigarettenpause, die uns erlaubt, im Trubel des Alltags mit uns selbst zu sein; oder das mich unsichtbar machen und mich nicht zeigen mit meinen Bedürfnissen und wie ich bin, das vielleicht einmal früher in der Kindheit der sichere Modus Operandi war. Aber heute spüre ich vielleicht, dass mir diese Dinge nicht mehr gut tun und mich von einem gelingenden Leben abhalten.

Schlechte Gewohnheiten können wir aufgeben, wenn es etwas gibt, das verlockender ist als das Alte, wie unsere Gesundheit, das zu uns selbst finden, in unsere Stärke kommen usw.

Neue Gewohnheiten zu erlernen sind die Pflastersteine auf dem Pfad zwischen dem, wie dein Leben jetzt aussieht, und einem Leben, das anders ist.

Als Resilienztrainerin und Coach werde ich häufig von Klienten gefragt, wie Sie es schaffen können, im stressigen Alltag besser für sich zu sorgen und sich selbst gut zu regulieren. Und auch hier liegt für mich die Lösung ganz klar in guten Gewohnheiten.

Meine persönlichen Erfahrungstipps sind folgende:

  • Starte mit etwas Kleinem, das sich relativ leicht umsetzen lässt, wie z.B. das Glas (Zitronen-)Wasser am Morgen nach dem Aufstehen – deine Leber wird dir unendlich dankbar sein!

  • Fokussiere dich auf diese eine neue Gewohnheit! Und zwar solange, bis sie wirklich automatisch abläuft. Wie Zähneputzen. In unserem Überschwang wollen wir gerne mal zuviel auf einmal und überfordern unser Gehirn damit. Was wir dann daraus mitnehmen ist die Erfahrung, es nicht geschafft zu haben, auf der Stelle zu treten oder eben doch ein Loser zu sein.

  • Gib deiner Gewohnheit einen festen Platz – also an welcher Stelle deiner Morgenroutine trinkst du dein Glas Wasser? Vielleicht direkt nach dem Zähneputzen? Nach dem Duschen? Oder erst in der Küche, während du darauf wartest, dass der Kaffee durchläuft?

  • Nutze die Automatismen deiner bestehenden Gewohnheiten und hänge die neue Gewohnheit einfach dran! Diese Methode wird ‚habit stacking‘ genannt, weil man hier einfach eine Gewohnheit auf eine andere drauf setzt. Nach dem Zähneputzen trinke ich mein Glas Wasser; wenn ich vom Kundentermin ins Büro zurückkomme, trage ich als erstes die wichtigen Infos in die Kundendatenbank ein; bevor ich abends die Äuglein schließe, denke ich an 3 Dinge, für die ich heute dankbar sein kann. Der Grund, warum habit stacking funktioniert, ist, dass deine alten Gewohnheiten bereits mit festen Strukturen im Gehirn verankert sind, und indem du die neue Gewohnheit daran hängst, ist es um vieles wahrscheinlicher, dass du sie behalten wirst.

  • Mache es deiner Gewohnheit einfach! Also sorge z.B. schon am Abend dafür, dass du am nächsten Morgen ein frisches Wasserglas im Badezimmer stehen hast.

  • Belohne dich jedes Mal bewusst mit dem guten Gefühl und dem Bewusstsein von: „Ich habe etwas Gutes für mich getan!“ – „Ich nehme die Verantwortung für mein Leben in die Hand!“

  • Nehme aber auch die positiven Auswirkungen deiner neuer Gewohnheit wahr. Vielleicht fühlst dich körperlich nach einer gewissen Zeit besser, oder du machst Fortschritte auf dem Weg zu deinem Ziel – was immer es ist. Diese Erfahrung von Selbstwirksamkeit, also die Überzeugung, durch dein Handeln dein Leben meistern zu können, macht dich stärker und resilienter und gibt dir die Kraft, die nächste Gewohnheitsänderung anzugehen.

  • Und schließlich: Überprüfe deine Gewohnheiten – egal ob alt oder neuer – ab und zu darauf, ob Sie dir gut tun.

Du magst dich noch mehr mit dem Thema beschäftigen? Wie wäre es damit:

  • James Clear: Atomic Habits/ Die 1%-Methode
  • Charles Duhigg: The Power of Habit/ Die Macht der Gewohnheit
  • Mel Robbins: The 5 Second Rule/ Die 5 Sekunden Regel